
Schulterschmerzen sind ein brennendes Thema. Anders können wir uns das grosse und rege Interesse an der Aktionswoche 2016 nicht erklären. Ein Reigen von 13 Gesundheitstagen schlug vom 5. bis 9. September insgesamt 1600 Besucherinnen und Besucher in seinen Bann. Das Publikum folgte den Vorträgen sichtbar aufmerksam und nutzte die Gunst der Stunde, vom Rheumatologen eine Zweitmeinung zu bekommen, den Chirurgen über das Für und Wider eines operativen Eingriffes zu befragen oder sich bei der Physiotherapeutin zu vergewissern, ob sich diese oder jene Sportart oder Bewegung mit dem individuellen Schulterproblem vereinbaren lasse.
Schulterschmerzen aus Sicht der Rheumatologen
Dr. med. Giorgio Tamborrini verblüffte die Zuhörer in Basel mit der Eröffnung, dass Schulterschmerzen nicht zwingend von der Schulter herrühren. Sie könnten ihren Ursprung durchaus im Herz oder in der Lunge haben. Das erkrankte Organ delegiere den Schmerz über einen Nerv an die Schultern, wo er sich bemerkbar mache.
Weiter warnte der Rheumatologe davor, die bildgebende Diagnostik zu überschätzen. «Zwischen dem, was man auf einem Bild sieht, und dem, was ein Patient an Beschwerden fühlt, besteht nie ein eindeutiger Zusammenhang», gab er zu bedenken, und als einprägsamen Merksatz formulierte er: «Röntgenbilder blicken in die Vergangenheit, Ultraschall zeigt eine Momentaufnahme, vorrangig der Weichteile, der Gelenkkapsel und der Schleimbeutel.»
Als ein zentraler Gedanke des rheumatologischen Vortrages blieb haften, dass man Schulterschmerzen weniger mit aufwendigen apparativen Untersuchungen auf die Schliche komme, als vielmehr durch ein ausführliches Gespräch über die Beschwerden, die Erfahrungen und die Geschichte des Patienten. Das Gespräch bilde Anfang und Basis einer Therapierung rheumatischer Schulterschmerzen.
Einblicke in die Schulterchirurgie
Heute kann kein Chirurgie-Vortrag ohne das Video eines chirurgischen Eingriffes auskommen, fachmännisch kommentiert vom Referenten. Das war auch bei der Aktionswoche nicht anders. Doch viel wertvoller als ein Überblick über moderne Operationsmethoden und die heute und in naher Zukunft zur Verfügung stehenden Schulterprothesen waren die grundsätzlichen Überlegungen aus der Perspektive der Schulterchirurgie.
Ehe man sich unters Messer lege, sei Sinn und Zweck des Eingriffes zu definieren, mahnte beispielsweise Dr. med. Andreas M. Müller von der Uniklinik Basel. «Zielt die Operation nur auf eine Schmerzbehandlung? Auf eine Funktionsverbesserung? Oder möchte der Patient wieder ohne Einschränkungen Golf oder Tennis spielen können?»
Weiter dürfe nicht vergessen werden, wie schmerzempfindlich die Schulter sei. Es bedürfe eines engen Teamworks mit dem Anästhesisten, um nach der Operation die Schmerzen medikamentös in den Griff zu bekommen. Darum werden Schulterpatienten generell drei, vier Tage im Spital behalten, selbst nach minimal-invasiven Eingriffen wie der Arthroskopie.
Daran schliesst sich eine Rehabilitationsphase von vier bis sechs Monaten. «Die Schmerzbefreiung braucht bei der Schulter sehr lange», resümierte Chirurg Müller seinen Vortrag. «Sich am Morgen operieren lassen und am Abend nach Hause und alles ist in bester Ordnung – das gibt es nie in der Schulterchirurgie. Sie ist keine Autoreparatur.» Eben deswegen sind vor einem chirurgischen Eingriff an der Schulter immer erst alle konservativen Behandlungsoptionen auszuschöpfen.
Schulterbewegungen zum Mitmachen
Der Vortrag der Physiotherapeutin rückte das «Bewegungstalent Schulter» ins Zentrum und lud das Publikum ein, verschiedene Bewegungsübungen auszuführen. Es begann mit einer Sensibilisierung für eine korrekte, aufrechte Haltung mit entspannten Schultern. Diese Haltung ist eine Voraussetzung für ein freies Bewegen und Trainieren der Schulter. Darauf folgten einige Bewegungs- und Stärkungsübungen.
Das Publikum machte engagiert mit und hatte in der abschliessenden Fragerunde auffallend viele Therapie-Fragen. Offenbar braucht die Schulter auch Abwechslung. So bekam eine langjährige Patientin den Ratschlag, sie solle doch ihre Physiotherapeutin bitten, ihr einige neue Schulterübungen beizubringen. Oder einem Schwimmer, der befürchtete, gewisse Schwimmstile könnten seiner Schulter schaden, wurde empfohlen, zwischen «Brust», «Rücken» und «Kraul» beliebig zu wechseln, solange er den Schwimmsport schmerzfrei geniessen könne.
Ein grosses Dankeschön
Die nationale Geschäftsstelle der Rheumaliga Schweiz dankt allen Partnern der Aktionswoche 2016 für die Einsatzfreude und die angenehme Zusammenarbeit. Die Besucherinnen und Besucher haben das Angebot, sich an den verschiedenen Ständen zu informieren und beraten zu lassen, rege wahrgenommen. Die Vorbereitungen für die Aktionswoche 2017 sind bereits angelaufen. Sie wird sich um das Thema Hüfte drehen. Weitere Informationen folgen beizeiten.