
Seit 1935 engagiert sich die Rheumaliga Bern und Oberwallis für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen – mit Herz, Fachwissen und Weitblick. Zum 90-jährigen Bestehen erzählt Geschäftsführerin Esther Moser Höhn, wie sich der Verein im Wandel der Zeit entwickelt hat, was sie persönlich bei der Arbeit motiviert – und was sie sich zum 100-Jahr-Jubiläum von der Organisation wünscht.
Wie war die Situation von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen vor 90 Jahren, und was sind die grössten Unterschiede zu heute?
Rheuma war damals stark sichtbar. Kranke konnten kaum noch eine Tasse in die Hand nehmen, so zerstört waren ihre Gelenke. Ich war vor über zehn Jahren an einem internationalen Treffen in der Schweiz mit Rheumaligen aus ganz Europa und habe viele alte Betroffene gesehen – mit völlig deformierten Händen und teilweise im Rollstuhl sitzend. Vor 90 Jahren führten gewisse Rheumaerkrankungen wie Lupus sogar in den Tod. Heute ist Rheuma immer noch da, aber dank moderner Medikamente behandelbar und vor allem mehrheitlich unsichtbar.
Gibt es Meilensteine, von denen im Team noch heute erzählt wird?
Ein grosses und einschneidendes Erlebnis war sicher das Legat von zwei Millionen Franken, welches die Rheumaliga Bern und Oberwallis 2007 erhalten hat. Diese Spende hat dazu geführt, dass wir uns dahin entwickeln konnten, wo wir heute sind. Wir haben das Geld in den Aufbau unseres interdisziplinären Beratungsteams investiert.
Dank dieses neuen Angebots hat sich unser Leistungsvertrag mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verdreifacht und die Mitgliederzahlen haben sich sogar vervierfacht.
Wie hat sich die Rolle der Rheumaliga Bern und Oberwallis über die Jahrzehnte verändert – vom Fürsorgeverein hin zu einer modernen Gesundheitsorganisation?
Damals galt das Bewusstsein: Oh, die armen Behinderten, denen muss geholfen werden. Heute arbeitet man auf Augenhöhe mit den Betroffenen; als vollwertiges und funktionierendes Mitglied der Gesellschaft. In Italien spricht man manchmal poetisch von «una persona con alta abilità» – ein Mensch mit anderen, besonderen Fähigkeiten.
In der modernen Gesundheitsorganisation ist die Vermittlung von Informationen eines der zentralen Themen. Wir sind bestrebt, dass Betroffene ihre Krankheit autonom bewältigen können und sich die Hilfe und Unterstützung holen, die sie brauchen.
Was bedeutet es dir persönlich, seit 14 Jahren Teil dieser traditionsreichen Organisation zu sein, und was motiviert dich in deiner täglichen Arbeit am meisten?
Für mich ist es immer schön, mit meiner Arbeit etwas zu bewirken. Unsere Angebote in den Bereichen Bildung, Kontaktförderung und Freizeitgestaltung werden rege genutzt und ernten viele wertschätzende Rückmeldungen. Dank unseres interprofessionellen Teams sind wir Anlaufstelle für Menschen in Notsituationen und können ihnen in schwierigen Zeiten Unterstützung bieten.
Am meisten motiviert mich, dass in meinem Job oftmals Kreativität gefragt ist: Angebote planen, mit Herausforderungen (weniger finanzielle Mittel, Corona-Pandemie) umgehen, Lösungen suchen. Vor allem bei Letzterem wird Einfallsreichtum verlangt.
Welche aktuellen Themen oder Herausforderungen beschäftigen die Rheumaliga Bern und Oberwallis derzeit am meisten?
Seit der Pandemie beobachten wir vermehrt Leute in (finanzieller) Not. Die Ressourcen sind im Allgemeinen knapper; diesen Druck spüren wir auch bei Stiftungsanfragen. Wir versuchen unsere Mittel so einzusetzen, dass wir möglichst vielen das bieten können, was sie brauchen. Die demografische Entwicklung spielt uns dabei aber nicht in die Karten. Es gibt immer mehr ältere Menschen, und praktisch jede und jeder ist im Alter von Rheuma betroffen.
In zehn Jahren feiert die Rheumaliga Bern und Oberwallis ihr 100-jähriges Bestehen – was wünschst du dir, dass man dann über die Organisation sagen kann?
Dass sich die Rheumaliga im herausfordernden Umfeld erfolgreich behauptet und sich entlang der Bedürfnisse der Betroffenen weiterentwickelt hat.
Ich hoffe, dass sie möglichst vielen Betroffenen die nötige professionelle Unterstützung bietet und vor allem wünsche ich mir, dass wir unser menschliches Antlitz erhalten können. Ich sehe uns als Auffangnetz für Menschen, die durch sämtliche Maschen gefallen sind – und für sie sind wir da!
