
Vom Fallschirmjäger mit Rückenschmerzen hin zum begeisterten Wanderer: Nicolas Duzanski ist Mitte zwanzig, als bei ihm nach einem langen Leidensweg endlich Morbus Bechterew diagnostiziert wird. Im Portrait zeigen wir, wie Nicolas sich trotz – oder gerade wegen – seiner Krankheit fit hält, was ihm im Alltag und in Momenten des Zweifels Kraft gibt und warum er glaubt, dass Sport ein zentraler Baustein in seinem Leben ist.
Vierundzwanzig Fallschirmsprünge absolviert Nicolas Duzanski als Sergeant bei der französischen Armee. Viele Male hält sein junger, sportlicher Körper der Belastung stand. Doch dann hat er immer häufiger Schmerzen im Rücken, am Ischias und in der Hüfte. Damals ist Nicolas gerade mal Anfang 20. Rückenschmerzen seien bei Fallschirmjägern völlig normal, er solle doch einfach öfter meditieren, heisst es aus seinem Umfeld.
Militärärzte, Rheumatologen, Kameraden, niemand nimmt Nicolas ernst. Es dauert weitere fünf Jahre bis eine Rheumatologin im Militärkrankenhaus Percy in Paris einen Bluttest anordnet. Im Rahmen des Tests wird ein spezielles Gen (HLA-B27) bei Nicolas entdeckt, das mit erhöhtem Risiko für entzündlich-rheumatische Erkrankungen verbunden wird. Ein MRT zeigt schliesslich eine Entzündung am Kreuzbein und bringt endlich Klarheit für das Verständnis seiner starken Symptome.
Denn Nicolas hat Morbus Bechterew, auch bekannt als ankylosierende Spondylitis oder Spondyloarthritis.
Suche nach dem eigenen Umgang mit der chronischen Krankheit
Die chronisch-entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule und der Gelenke stellt ihn vor immense Herausforderungen, sowohl physisch als auch psychisch. «Ich war schon als Jugendlicher sehr sportlich, ich war immer derjenige, der andere zum Sport motiviert hat.», erzählt Nicolas. Doch die Krankheit, besonders in ihren aktiven Phasen, verändert seinen Alltag massiv: von steifen Gelenken und starken Hüftschmerzen am Morgen bis hin zu schmerzhaften Nächten, die ihm oft den Schlaf rauben.
Die Antwort der Ärzte ist eindeutig. Die Krankheit ist unheilbar, während der Entzündungsphasen wird er lebenslang entweder Medikamente nehmen oder sich regelmässig mit Spritzen behandeln lassen müssen. Diese Aussicht lässt Nicolas verzweifeln. «Ich wusste, ich kann doch nicht mein Leben lang von Medikamenten abhängig sein.», sagt er.
Auf der Militärbasis gab es nur schlechtes Essen. Sowohl in der Kantine als auch beim McDonald’s um die Ecke. Heute lege ich sehr grossen Wert auf meine gesunde Ernährung und mein regelmässiges Training.
Nicolas Duzanski, Morbus-Bechterew Betroffener

Bei der französischen Armee, seinen Einsätzen und den kräftezehrenden Fallschirmsprüngen kann Nicolas nicht bleiben. Aber auch in seiner Familie und bei seinen Freunden in der Champagne, Frankreich, stösst er mit seiner Diagnose auf Unverständnis, obwohl seine Mutter selbst Lupus hat. «Keiner wusste, wie man mit mir umgehen soll, was man mir raten soll.», erzählt Nicolas. Er hat starke Schmerzen, kann kaum normal gehen, fällt ständig hin.
Nicolas beschliesst, in eine kaufmännische Ausbildung zu wechseln, um den Familienbetrieb in der Champagne weiterzuentwickeln. Gleichzeitig beginnt er, über seine Diagnose zu lesen. Nach intensiven Recherchen entscheidet er sich für eine zweiwöchige Behandlung mit Antibiotika.1
Seine Schmerzen sind seitdem erträglicher, er kann endlich wieder Sport machen. «Es ist ein täglicher Kampf, aber einer, der mich stärker macht», erklärt Nicolas. Er spricht selten mit anderen über seine Krankheit. Er fühle sich durch seine Krankheit anders und schäme sich manchmal, meint er. «Die Menschen sehen mich und denken, aber der ist doch sportlich, der ist doch jung, was soll denn mit dem nicht stimmen? Selbst andere von der Krankheit Betroffene zweifeln manchmal, ob ich dazugehöre.»
Entscheidung für ein neues Leben in der Schweiz
Nicolas verlegt seinen Lebensmittelpunkt in die Schweiz. Sie verkörpert für ihn alles, wonach er strebt: die Nähe zur Natur, den Bergen und die Möglichkeit, mit anderen an der frischen Luft den Kopf freizukriegen. Hinzu kommt der familiäre Aspekt. Die Nähe zu seinem Bruder, der in Genf lebt, ermöglicht es Nicolas, Zeit mit ihm zu verbringen, sei es bei gemeinsamen Wanderungen oder langen Gesprächen.
Heute ist Nicolas 29 Jahre alt und arbeitet in Lausanne als selbstständiger Finanzberater für ein Finanzplanungs-Unternehmen. In seinem Alltag spielt der bewusste Umgang mit Schlaf, Training und Ernährung eine zentrale Rolle. «Auf der Militärbasis gab es nur schlechtes Essen. Sowohl in der Kantine als auch beim McDonald’s um die Ecke. Heute lege ich sehr grossen Wert auf meine gesunde Ernährung und mein regelmässiges Training.», sagt er.

Wenn er wenig Zeit hat, trainiert er einmal die Woche, wenn sein Beruf es erlaubt, sogar dreimal. Er geht für das Training gerne raus in den Park um die Ecke und geniesst die festinstallierten Trainingsgeräte dort, beispielsweise die Klimmzugstange. Er trainiert mit Therabändern und seinem eigenen Körpergewicht inspiriert vom Calisthenics-Prinzip. Besonders widmet er sich den Bereichen Kraft und Beweglichkeit, er geht aber auch gerne Velo fahren und wandern. «Ich habe sogar eine eigene Gruppe gegründet», erzählt er. «Wir gehen alle gemeinsam klettern.»
Auch auf sein Schlafpensum achtet er ganz genau. Er weiss, wenn er weniger als 7 Stunden schläft, erwacht er mit Schmerzen. Ebenso, wenn er zu viel schläft, dann signalisiert sein Körper ihm nämlich, das sei zu viel des Guten gewesen. Seine Tätigkeit als Selbstständiger hilft Nicolas dabei, sich den Alltag so einzuteilen, dass er einen guten Umgang mit seiner Krankheit findet. Diese Flexibilität ist für ihn von unschätzbarem Wert und ein Kontrast zu der rigiden Tagesstruktur, die er beim Militär erlebt hat.
Routine und innere Stärke als Anker
Seinen militärischen Ausbildungshintergrund sieht Nicolas dennoch als Vorteil. Besonders die angelernte Disziplin, an einer Routine festhalten zu können: Rituale bereits am frühen Morgen, sei es eine Joggingrunde bei Sonnenaufgang oder das sorgfältige Notieren seiner Tagesziele. Sein Durchhaltevermögen ist sein Anker, besonders in den Momenten, in denen er an sich selbst zweifelt.
Denn das Thema Training spielt für ihn auch über seine eigene Gesundheit hinaus eine grosse Rolle: Nicolas hat einen achtjährigen Sohn. Für ihn möchte er so lange wie möglich so aktiv wie möglich bleiben. Die Behandlung mit Antibiotika hat ihm dafür einen Grundstein gelegt, weil sie die Schmerzen erträglicher gemacht hat. Aber die weitere Entwicklung seiner Krankheit möchte Nicolas durch den Sport aktiv positiv beeinflussen. «Ich kenne ältere Menschen mit meiner Krankheit. Sie haben eine sogenannte Bambus-Wirbelsäule, also ein verknöchertes, versteiftes Rückgrat. Davor habe ich grosse Angst, das muss ich unbedingt verhindern.», sagt er.

Nicolas hat für sich entschieden, aktiv daran zu arbeiten, die Auswirkungen seiner Krankheit abzumildern. Mit seiner Kombination aus gezielten Physiotherapie-Übungen, regelmässigem Training und einer entzündungshemmenden Ernährung gelingt es ihm, die Krankheit in Schach zu halten. «Ich bin sehr dankbar, dass ich nun meistens beschwerdefrei bin.», sagt er.
Nicolas glaubt fest daran: Wer sich auf die eigenen Stärken besinnt, Disziplin und Durchhaltevermögen zeigt und mutig neue Wege beschreitet, kann selbst die grössten Herausforderungen meistern. Für Nicolas bedeutet das aber auch, dass Erfolg nicht darin besteht, nie zu scheitern, sondern nach jedem Hinfallen wieder aufzustehen. Darum ist er zuversichtlich. Selbst wenn der weitere Weg ungewiss ist.
1Morbus Bechterew bzw. axiale Spondyloarthritis wird nach heutigem Stand der medizinischen Erkenntnisse in der Regel nicht mit Antibiotika behandelt. Eine Antibiotikabehandlung kann dann erforderlich sein, wenn zusätzlich eine bakterielle Infektion vorliegt, zum Beispiel im Rahmen einer immunsuppressiven Therapie. In jedem Fall sollte eine solche Behandlung nur nach klarer ärztlicher Diagnose und Abklärung möglicher Ursachen erfolgen.
Dieser Text wurde im Mitgliedermagazin forumR 3/2025 der Rheumaliga Schweiz publiziert.
Autorin: Vivian Decker, basierend auf einem Interview von Olivia Goricanec Fotos: Susanne Seiler
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