Warum Hilfsmittel immer besser werden

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Koffer valise valigetta

Aus der hintersten Ecke des Rheumaliga-Archivs haben wir kürzlich einen vergessenen Lederkoffer hervorgeholt und aus Neugier aufgemacht. Wie erstaunt waren wir, als wir seine Schätze hoben! Zum Vorschein kamen, sicher verwahrt, ordentlich in passgenauen Laschen und Fächern steckend, Hilfsmittel um Hilfsmittel aus vergangenen Jahrzehnten.

Einzelne sind wahre Zeitzeugen. Denn im Vergleich von früher und heute erkennen wir, wie viel gelenkschonender, kraftsparender und bequemer viele Hilfsmittel geworden sind. Spannend ist auch zu sehen, wie sehr sich bei einigen Form und Farbe gewandelt haben. Hilfsmittel unterliegen wie alle Produkte dem Geschmack der Zeit und den Trends des industriellen Designs.

Drei Fundstücke und ihre modernen Nachfolger

[1] Die Greifzange: vom flexiblen Scherengitter zum fixen Stab

Unsere kleine Zeitreise startet mit der metallenen Scherengitter-Greifzange aus den (vermutlich) 1980er Jahren. Je mehr man ihre Griffe zusammendrückte, desto länger wurde die Zange. Die maximale Reichweite lag bei 69 cm. Zusammengeklappt, war sie klein und liess sich in jeder Schublade versorgen oder in der Handtasche mitführen.

Greifzange Longue main Pinza prensile

An sich ist das Scherengitter ein geniales Konstruktionsprinzip. Es kombiniert einen minimalen Platzbedarf mit einer variablen Länge oder Fläche. Die flächige Anwendung sieht man gelegentlich noch in ausziehbaren Untersetzern für heisse Töpfe. Aber zum Auszug in die Länge ist das Scherengitter völlig aus der Mode gekommen.

«Zum Glück!», kann man bei der Greifzange nur sagen. Denn das Scherengitter hatte scharfe Kanten, und beim Zusammenklappen konnte man sich leicht die Finger einklemmen. Hinzu kamen Nachteile bei der Handhabung. Zum Greifen musste man den Daumen stark abspreizen, wenn man es überhaupt schaffte, einhändig zuzugreifen. Auch knickte das Handgelenk in der Anwendung aus der geraden Achse des Unterarms ab.

Die Abkehr vom Scherengitter hat alle diese Unannehmlichkeiten beseitigt. Die neue, stabförmige Greifzange aus leichtem Kunststoff liegt perfekt in der Hand und lässt sich im Faustgriff bedienen. So verteilt sich die Belastung auf mehrere Gelenke und muss pro Gelenk nur wenig Kraft aufgewendet werden. Zudem bleibt das Handgelenk in der Anwendung immer in einer achsengerechten Stellung.

Der einzige Nachteil der neuen Greifzange ist der grössere Platzbedarf. Sie ist ein starrer Stab von fixer Länge. Dafür finden Sie im Shop der Rheumaliga aktuell mehrere Modelle unterschiedlicher Länge:

Greifzange Premium, 45 cm, 70 cm oder 90 cm

Greifzange mit Unterarmstütze, 60 cm

Greifzange Standard, 65 cm oder 84 cm

Greifzange Adler, 61 cm oder 76 cm

[2] Der Flaschenöffner einst und heute

Drehverschlüsse machen Mühe, seit es sie auf Flaschen gibt. Auch in unserem alten Hilfsmittelkoffer fand sich dafür ein spezielles Produkt: ein kegelförmiges Gebilde mit feinen Rillen innen und einer glatten Oberfläche aussen (links im Bild).

Flaschenoeffner Ouvre bouteille Apribottiglie

Einem Drehverschluss übergestülpt, vergrösserte dieser Flaschenöffner zwar die Kontaktfläche und verteilte die Belastung. Aber die stabile Kegelform und die glatte Oberfläche zwangen einen, das Hilfsmittel mit starkem Griff festzuhalten und nach unten zu drücken, mit der ständigen Gefahr, an dem glatten Material abzurutschen.

Aus Sicht des Gelenkschutzes kam der alte Flaschenöffner nur den Fingergelenken zugute, während das Handgelenk bei der Anwendung starke Beuge- und Drehbewegungen vollführen musste.

Abhilfe schafft hier der flach geformte Flaschenöffner Pet-Boy aus weichem, rutschhemmendem Silikongummi. Er schmiegt sich gleichzeitig innen um den festsitzenden Drehverschluss und aussen in den offenen Handteller.

Der Pet-Boy lässt sich buchstäblich im Handumdrehen anwenden. Die dazu erforderliche Kraft holt man direkt aus dem Unterarm. Das Handgelenk und die Fingergelenke erfahren dabei eine grösstmögliche Entlastung und Schonung. Die Pet-Boy-Vorteile im Überblick:

  • anwendbar auf PET-, Bier- und Weinflaschen
  • geringer Kraftaufwand
  • ergonomische Form
  • rutschhemmendes Material
  • an jeder magnetischen Fläche aufzubewahren
  • passend in jede Hosentasche

[3] Die Gabel zum Abwinkeln: Abschied von Holz und Schraube

Wenn Sie altes Essbesteckt kennen, wie man es zuhauf in Brockenstuben sieht, wissen Sie, wie gross und klobig früher ein Messer, ein Löffel oder eine Gabel waren, und vor allem, wie schwer sie in der Hand lagen.

Auch unsere alte Gabel zum Abwinkeln (links im Bild) war, wenn nicht sonderlich schwer, so doch ziemlich gross und hatte einen Holzgriff im Landhausküchen-Stil. Wie an der Schraube erkennbar, wurde die individuelle Abwinkelung früher tatsächlich festgeschraubt. Das hatte zwei Vorteile: Zu schrauben, erforderte wenig Kraft. Und die Einstellung liess sich beliebig häufig anpassen.

Gabel Fourchette Forchetta

Diese Vorteile gehen der neuen Gabel ab. Sie muss mit grossem Kraftaufwand abgewinkelt werden. Auch sollte man den Winkel nicht allzu häufig ändern, will man nicht riskieren, die Gabel zu brechen.

Alle anderen Eigenschaften der neuen Gabel sprechen hingegen zu ihren Gunsten und verdeutlichen die Fortschritte in der Entwicklung ergonomischer Produkte:

Die Gabel ist deutlich kürzer als das Vorgängermodell und auch leichter als dieses. Der Griff ist aus weichem, rutschhemmendem Kunststoff und zusätzlichen mit querlaufenden Rillen versehen. Dieses Essbesteck kann einem praktisch nicht aus der Hand gleiten. Beim lackierten Holz der alten Gabel bestand hingegen immer das Risiko, abzurutschen. Zudem kann die neue Gabel im Geschirrspüler gewaschen werden.

Das Résumé unserer Zeitreise

Alles in allem sind die Hilfsmittel im Laufe der vergangenen Jahrzehnte gelenkfreundlicher, handlicher und komfortabler geworden. Zum einen kommen heute moderne Techniken zur Antirutschbeschichtung sowie neuartige, weichere, leichtere Materialien zum Einsatz wie zum Beispiel Silikongummi. Zum andern fliessen immer mehr Erkenntnisse in die Entwicklung von Hilfsmitteln.

Der Gelenkschutz durch Hilfsmittel ist heute auf einem sehr hohen Level. Man muss die Produkte nur wirklich nutzen und richtig anwenden.

Haben Sie Fragen zu einzelnen Hilfsmitteln oder vermissen Sie eines im Sortiment der Rheumaliga? Unser Alltagshilfen-Team verfolgt die Entwicklungen, pflegt rege Kontakte zu zahlreichen Herstellern und leistet gerne fachliche Beratung: Telefon 044 487 40 10.

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